Die Aufspaltung in Payment Services Directive 3 (PSD3) und Payment Services Regulation (PSR) adressiert ein grundlegendes Problem der PSD2: regulatorische Fragmentierung durch unterschiedliche nationale Umsetzungen. Während die PSD2 als Richtlinie den Mitgliedstaaten erhebliche Interpretationsspielräume ließ, entstanden dadurch Wettbewerbsverzerrungen und regulatorische Arbitrage – das berüchtigte "Forum Shopping".
Die EU-Strategie dahinter: Operative Geschäftsregeln, die EU-weit einheitlich gelten sollen, werden in eine direkt anwendbare Verordnung (PSR) überführt. Institutionelle Regelungen, die traditionell in nationaler Kompetenz liegen, verbleiben in einer flexiblen Richtlinie (PSD3).
Verordnung vs. Richtlinie: Der rechtliche Paradigmenwechsel
Der fundamentale Unterschied zwischen beiden Rechtsinstrumenten zeigt sich in ihrer praktischen Anwendung:
Aspekt |
Verordnung |
Richtlinie |
Rechtswirkung |
Direkt anwendbar in allen 27 EU-Staaten |
Nationale Umsetzung erforderlich |
Harmonisierungsgrad |
Maximale Einheitlichkeit – minimale Auslegungsspielräume |
Rahmenregelung mit nationalen Gestaltungsmöglichkeiten |
Implementierungszeit |
Sofortige Geltung nach Inkrafttreten |
Umsetzungsfrist für Mitgliedstaaten (18-24 Monate) |
PSR: Das Herzstück der operativen Zahlungsregulierung
Die Payment Services Regulation wird zum zentralen Regelwerk für das operative Zahlungsgeschäft. Sie deckt alle geschäftskritischen Bereiche ab, die bisher zu unterschiedlichen nationalen Interpretationen geführt haben:
Kerninhalte der PSR
- Verhaltensregeln und Geschäftsbetrieb: Einheitliche Standards für alle Zahlungsdienstleister EU-weit
- Verbraucherschutz: Verschärfte Haftungsregeln bei Betrug und gestärkte Kundenauthentifizierung
- Open Banking 2.0: Verbesserte API-Standards und einheitliche Wettbewerbsregeln für Kontoinformations- und Zahlungsauslösedienste
- Betrugsbekämpfung: Erweiterte Sicherheitsanforderungen, sofortige Meldepflichten und branchenweite Datenanalyse
- Empfängername-IBAN-Abgleich: EU-weite Vereinheitlichung der bereits in Deutschland ab 9. Oktober 2025 verpflichtenden Überprüfung
Strategischer Vorteil: Mit der PSR entfällt die Notwendigkeit, 27 verschiedene nationale Umsetzungen zu monitoren. Ein einziger EU-weiter Compliance-Rahmen eliminiert regulatorische Arbitrage und schafft faire Wettbewerbsbedingungen.
PSD3: Fokus auf institutionelle Regulierung
Die Payment Services Directive 3 behält bewusst die Form einer Richtlinie bei, da sie Bereiche regelt, die traditionell in nationaler Kompetenz liegen:
Schwerpunkte der PSD3
- Lizenzierung und Aufsicht: Harmonisierte, aber national umgesetzte Regelungen für Zahlungsinstitute (PIs) und E-Geld-Institute (EMIs)
- Institutionelle Anforderungen: Kapitalausstattung, Governance-Strukturen und interne Kontrollen
- Integration der E-Geld-Regulierung: Aufhebung der separaten E-Geld-Richtlinie und Angleichung der Regulierungsregime
- Passporting-Rechte: Erweiterte grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung binnen der EU
Warum bleibt es eine Richtlinie? Die Lizenzierung und Beaufsichtigung von Finanzinstituten ist eine historisch gewachsene souveräne Kompetenz der Mitgliedstaaten. Eine vollständige EU-Einheitslizenz für Zahlungsdienstleister würde verfassungsrechtliche Hürden schaffen und die bewährten nationalen Aufsichtsstrukturen untergraben.
PSD3 vs. PSR: Der strategische Vergleich
Kriterium |
Richtlinie |
Verordnung |
Rechtsnatur |
Richtlinie – nationale Umsetzung erforderlich |
Verordnung – direkt anwendbar |
Hauptzielgruppe |
Aufsichtsbehörden |
• Zahlungsinstitute • E-Geld-Institute |
Kerninhalt |
• Lizenzierung von Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute • Aufsichtsharmonisierung • Institutionelle Anforderungen • E-Geld-Integration |
• Geschäftsbetrieb und Verhaltensregeln • Verbraucherschutz • Open Banking Standards • Betrugsbekämpfung |
Harmonisierungsgrad |
Mittel – nationale Spielräume bleiben erhalten |
Hoch – vollständige EU-weite Einheitlichkeit |
Primäre Vorteile |
• Bewahrung nationaler Aufsichtskompetenzen • Flexibilität bei institutionellen Regeln • Bewährte Passporting-Strukturen |
• Eliminierung regulatorischer Arbitrage • Kostenreduzierung durch Einheitlichkeit |
Zentrale Herausforderung |
Potentielle Fragmentierung bleibt bestehen |
Höhere Detailgenauigkeit und Präzision erforderlich |
Die strategische Logik hinter der Aufspaltung
Für operative Geschäftsregeln (PSR): Verbraucher und Unternehmen sollen identische Standards erleben, egal ob sie in München, Mailand oder Madrid eine Zahlung tätigen. Unterschiedliche nationale Auslegungen bei Sicherheitsanforderungen, Haftungsregeln oder Open Banking-Standards schaffen Verwirrung und Wettbewerbsverzerrungen.
Für institutionelle Regulierung (PSD3): Die Lizenzierung und Beaufsichtigung von Finanzinstituten erfordert tiefes Verständnis nationaler Rechtssysteme, Verbraucherkulturen und Marktstrukturen. Eine zentralistische EU-Lösung würde die gewachsenen Expertisen der nationalen Aufsichtsbehörden entwerten.
Der Wendepunkt: Von Fragmentierung zu intelligenter Arbeitsteilung
Mit der PSD2 erlebte die Branche, wie gut gemeinte Harmonisierungsabsichten durch nationale Interpretationen verwässert wurden:
- Strong Customer Authentication (SCA): 27 verschiedene Ausnahmenregelungen
- Open Banking APIs: Unterschiedliche technische Standards je Land
- Haftungsregeln: Abweichende Schadensverteilungen bei Betrug
- Aufsichtspraktiken: Forum Shopping zwischen "liberalen" und "strengen" Jurisdiktionen
Die PSR/PSD3-Architektur löst dieses Dilemma durch funktionale Trennung: Operative Standards werden EU-weit vereinheitlicht, während institutionelle Vielfalt dort erhalten bleibt, wo sie sinnvoll ist.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Sofortmaßnahmen
- Gap-Analyse durchführen: Bewertung der aktuellen Compliance-Infrastruktur
- Stakeholder informieren: Frühzeitige Einbindung von IT, Legal und Risk Management
- Monitoring etablieren: Verfolgung des Gesetzgebungsverfahrens für rechtzeitige Anpassungen
Fazit: Ein durchdachter regulatorischer Neustart
Die Aufspaltung in PSD3 und PSR ist kein Kompromiss, sondern eine strategisch durchdachte Lösung. Sie kombiniert die Vorteile maximaler Harmonisierung dort, wo Einheitlichkeit entscheidend ist (operative Standards), mit bewährter Flexibilität dort, wo nationale Expertise und Souveränität unverzichtbar bleiben (institutionelle Aufsicht).
Die zentrale Botschaft: Die EU schafft mit dieser Zwei-Säulen-Struktur die Grundlage für einen faireren, transparenteren und innovationsfreundlicheren Zahlungsverkehr. Statt des "One-Size-Fits-All"-Ansatzes der PSD2 setzt Brüssel nun auf intelligente Arbeitsteilung zwischen europäischer und nationaler Ebene.
Diese Struktur adressiert gezielt die Lehren aus der PSD2-Fragmentierung und schafft eine regulatorische Architektur, die sowohl Harmonisierung als auch subsidiäre Flexibilität optimal ausbalanciert. Für Finanzunternehmen bedeutet dies: Weniger regulatorische Komplexität bei gleichzeitig höheren Standards. Wer sich frühzeitig positioniert und die Vorteile der einheitlichen Regulierung nutzt, kann sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.
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